Die Töpferei verfügt über drei miteinander verbundene Ziegelöfen zum Brennen der Keramik, die jeweils einen Meter breit, zwei Meter tief und einen Meter fünfzig hoch sind. Direkt an dem vorderen Ofen befindet sich die Feuerstelle zur Erzeugung der Hitze, und am hinteren Ofen ist die Lüftungsapparatur mit einem Schornstein angebracht. Zum Hwa-Tao-Center gehören außer diesen eindrucksvollen Öfen noch eine Werkstatt der Handwerker und ein Workshop für Besucher, ein Restaurant mit traditioneller taiwanesischer Kost und ein Souvenirladen mit einheimischen Produkten.
Ein Rundgang über das Gelände um das Töpferei-Gebäude gestattet eine schöne Aussicht auf einen Wasserlilienteich und eine Landschaft mit roten Kirschblüten und gelben Blumen. Hinter dem chinesischen Garten findet man am Hang ein fünf Hektar großes Arboretum mit Hunderten von Pflanzenarten.
Die Bewohner der Umgebung nennen das Gebäude auf dem Berg nur "Augenofen", weil die geschwungenen Tore an der Außenmauer aus der Ferne wie Augen aussehen.
"Ein Besuch bei der Hwa-Tao-Töpferei lohnt sich aus vier Gründen: Da ist erst einmal der Handwerksbetrieb selbst, dann die hier hergestellte Töpferware, die herrlichen Blumen im Garten und die wunderschöne Berglandschaft", wirbt Chen Wen-hui. Außer bei der Gestaltung des Centers arbeitet er auch seiner Frau, den anderen Gründungsmitgliedern und einigen eigens angestellten Fachleuten zu.
Liu Fu-lin, der Leiter des Hwa-Tao-Centers, erzählt, daß die Anlage erst 1991 für Besucher geöffnet wurde. Heute können die Besucher einiges über die Kunst der Herstellung chinesischer Töpferware lernen.
Um den gewünschten Qualitätsstandard zu erreichen, haben die Töpfer der Hwa-Tao-Töpferei festgelegt, daß ihre Tonvasen, Formen, Schalen, Blumentöpfe und Teeservices sieben Tage lang bei 1250 °C gebrannt werden müssen. Wegen der unterschiedlichen Hitzeintensität der Öfen muß zum Brennen der verschiedenen Stücke ein komplizierter Plan ausgearbeitet werden. "Manchmal berät das Personal eine volle Woche darüber, welche Stücke wo plaziert werden sollen", verrät Liu.
Die Temperatur in den mit Holz beschickten Öfen muß ebenfalls streng kontrolliert werden, damit die Naturglasur, Brandmarken und Aschestreifen erhalten bleiben, die der Hwa-Tao-Töpferware ihren rustikalen Charme verleihen. "Sieben Tage und Nächte lang legen wir ununterbrochen alle zehn Minuten je acht Stücke Feuerholz nach", berichtet Liu. "Wir benutzen zwar moderne Technologie zur Überwachung der Temperatur, aber nur ein erfahrener Heizer kann an der Farbe des Feuers erkennen, wann Holz nachgelegt werden muß." Der Leiter erklärt, daß bei Hwa-Tao ausschließlich taiwanesisches Akazienholz verfeuert wird, weil es wegen seiner langen Brenndauer und großen Hitzeentwicklung besonders gut für Brennöfen geeignet ist.
Nach dem Ende des Brennvorgangs müssen der Ofen und sein Inhalt zehn Tage lang abkühlen. Das Öffnen des Brennofens ist für die Töpfer im Hwa-Tao-Center immer ein andächtiger Augenblick. Wenn die gebrannten Erzeugnisse aus dem Ofen herausgeholt werden, gibt es immer wieder etwas zu staunen. Manche Objekte sind noch schöner als erwartet, wogegen andere sich als Enttäuschung entpuppen. Unabhängig vom Erfolg kann der Künstler doch von jedem neuen Stück wieder etwas dazulernen, heißt es. Wegen des zeitraubenden und mühevollen Brennvorganges wird der Ofen aber nur vier- oder fünfmal im Jahr aktiviert.
Wohl kaum jemand kennt die Tücken des Töpfergewerbes besser als Chen Sheng-tang und Chen Chang-pi, die beiden Töpfermeister bei Hwa-Tao. Die Künstler, die heute beide über siebzig sind, hatten als Teenager mit dem Töpfern begonnen. Während Chen Sheng-tang eine elektrisch angetriebene Töpferscheibe bevorzugt, formt Chen Chang-pi den Ton ohne Hilfsmittel mit den Händen.
Chen Sheng-tang legt zuerst einen Batzen nassen Lehm auf die Töpferscheibe und bewegt dann geschickt seine Finger, um eine perfekt proportionierte Vase oder Schale zu formen. Wie durch Zauberei wird in weniger als einer Minute aus dem unförmigen Klumpen ein Kunstwerk.
Der botanische Garten um die Töpfereigebäude besticht mit duftenden Blumen und orientalischer Landschaftsarchitektur. Die Ziegeltreppe führt von dem Teich zum Hauptgebäude des Hwa-Tao-Centers.
Chen Chang-pi wendet lieber eine andere Technik an, indem er für die Schaffung einer großen Vase lange wurstförmige Ton-Bänder zu einer Art Spule aufeinanderschichtet. Sobald die Vase Gestalt annimmt, drückt er zur Erhöhung der Stabilität mit der Handfläche kräftig an die Außenwand des Werkstücks. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand preßt er die Tonwurst gewandt an die vorgesehene Stelle. Die ganze Zeit umkreist der Künstler dabei zum Formen der "Spule" das Gefäß. "Hier dreht sich keine Töpferscheibe, sondern ich drehe mich bei der Arbeit selber im Kreise", lächelt er.
Die Herstellung einer großen Vase von Hand muß laut Chen Chang-pi bei dieser Technik unbedingt mit einem soliden Boden beginnen, da die Spule sonst nicht hoch genug aufgeschichtet werden kann. An einem Acht-Stunden-Tag kann er mit Hilfe seiner Frau und seines Sohnes hundert große Vasen oder 350 kleine herstellen.
Der Ton-Meister rät Touristen, beim Besuch von Hwa-Tao dreierlei nicht zu versäumen: "Besuchen Sie unbedingt den Töpfer-Workshop, weil Sie sich dabei wunderbar dreckig machen können und gleichzeitig kreativ sind. Kosten Sie den bei uns nach altem Rezept zubereiteten Reisbrei, und es lohnt sich auch, sich ein ruhiges, schattiges Plätzchen zu suchen und sich dort die Zeit für etwas Ruhe und Meditation zu gönnen." Für einen Augenblick innerer Sammlung gibt es in dem ausgedehnten Garten viele behagliche Stellen.
Die Architektur der Anlage repräsentiert die drei herrschaftsausübenden Mächte in Taiwans Geschichte. Die Ziegelwände der Bauernhäuser auf dem ganzen Gelände wurden mit einer Technik gemauert, die die Holländer während ihrer Besetzung der Insel im 17. Jahrhundert angewandt hatten. Die Dächer sind mit schwarzen Schindeln gedeckt, die typisch für die traditionelle Architektur Japans sind und an Taiwans japanische Kolonialzeit (1895-1945) erinnern. Die Holztore mit zwei Türflügeln sind Zeugnis der han-chinesischen Kultur.
Viele der Pflanzen auf den Hängen des Arboretums sind in Taiwan heimisch, manche von ihnen wachsen sogar nur auf dieser Insel. Die Üppigkeit der Flora in Taiwan ist laut Aussage einer Führerin des Centers auf die ungeheuren Kräfte zurückzuführen, die die Berge der Insel vor Äonen geformt haben. Etwa 220 Gipfel erheben sich mehr als 3000 Meter über das Meeresniveau und bilden so eine mannigfaltige Umwelt mit großen Temperaturunterschieden. Die Pflanzenarten variieren von Hochgebirgspflanzen zu Schluchtengewächsen, erläutert die Führerin.
Während der Eiszeit ereignete sich eine große globale "Pflanzenwanderung". Das durch Gletscherbildung verursachte kalte Klima zwang bestimmte Pflanzenarten des hohen Nordens der Erde zum Ausweichen nach Süden. Als zwischen den Eiszeiten der Meeresspiegel anstieg, überlebten einige Pflanzenarten durch Anpassung an die starken Winde und humusarmen Böden der steilen Berge. Das alles erklärt nach den Worten der Führerin in Taiwan die Existenz von Pflanzenarten, die Millionen Jahre alt sind. Die kraftvolle Schönheit von Taiwans Naturlandschaft gehört zu den faszinierenden Dingen des Lebens auf dieser Insel, fügt sie hinzu.
Wenn Besucher nach einer langen Tagestour in der Hwa-Tao-Töpferei durch das Vordertor hinausschreiten, bestätigt ihnen die Aussicht die Worte der Führerin: Über den Bergrücken versprüht der Sonnenuntergang seine Farbenpracht.